Ich halte mich für einen toleranten und aufgeschlossenen Menschen, für jemanden, dem Schubladendenken zuwider ist, der weiß, dass es zwischen Schwarz und Weiß eben noch viele andere Grautöne gibt.
Nichts desto trotz gelangte ich heute morgen zu folgender Erkenntnis:
Ich habe gestern bei FB viel über Vorurteile gelernt und auch meine eigenen entdeckt. Eine wichtige Erkenntnis.
— Stefanie Leo (@Buecherkinder) August 7, 2015
Wie es dazu kam, ist schnell erklärt. In den Tagesthemen vom 5. August bezog Anja Reschke vom NDR im Kommentar klar Stellung zur Hetze gegen Ausländer im Internet und ermahnte die Zuschauer, den Mund aufzumachen und Haltung zu zeigen.
Wie über 200.000 andere auch teilte ich das Video auf meinen diversen Social Media Kanälen, öffentlich selbstverständlich, erhielt viele Klicks, Likes, das Video wurde weiter geteilt.
Doch irgendwann ereilte auch mich die erste Stammtischparole – “Bin mal gespannt was sie sagt sobald ihr Job ein Zugewanderter kriegt und ihre Kinder keine Stelle weil es andere viel billiger tun…” -, die ich zunächst einfach ignorieren wollte, aber genau das wäre das Gegenteil gewesen von dem, was Anja Reschke angemahnt hatte. Ich antwortete also, nicht ohne vorher den Schreiber des Kommentars bereits gedanklich in eine Schublade verfrachtet zu haben. Selbstverständlich erwartete ich weitere Sprüche obigen Niveaus.
Doch erstaunlicherweise entstand im Thread mit mir und anderen ein gesittetes “Gespräch”, das die Ängste und sicher auch die Vorurteile des Kommentierenden weiter offen legte. Und selbst als ich meine Pinnwand wegen der Nachtruhe unbeaufsichtigt ließ, wurde höflich weiter gepostet.
Heute morgen stellte ich mir also die Frage, wieviele Menschen, die unserem Schwarz-Weiß-Denken nicht entsprechen, von uns im Netz einfach abgewatscht werden und ihr Heil dann dort suchen, wo sie mit Schulterklopfen und Likes belohnt werden.
Um wirklich nachhaltig etwas zu ändern, müssen wir selbstverständlich Haltung zeigen und den Mund aufmachen wie Anja Reschke es fordert, aber wir müssen selbigen eben auch für den Dialog nutzen, Überzeugungsarbeit leisten und Grautöne zulassen.
Für das Schlusswort übergebe ich an den Dalai Lama, der in Meine spirituelle Autobiographie Folgendes über das westliche Schwarz-Weiß-Denken* sagt:
* Und bevor es jetzt einen Aufschrei gibt: Ich weiß selbst, dass es Themen gibt, die keine Grauzonen zulassen, für die es nur Weiß und niemals Schwarz geben darf! – Für alle anderen Themen gilt aber definitiv oben Genanntes.
Hallo Stefanie,
ich habe mich letztens auch dabei ertappt, dass ich manchmal in Gedankenmuster falle, die ich bei anderen nicht gut finde. Da Einsicht bekanntlich der erste Weg zur Besserung ist, versuche ich im Moment, alte Muster aufzubrechen. Dein Beitrag kam dazu gerade recht und ich finde es super, dass du ihn geschrieben hast!
Liebe Grüße,
Fraencis