Heimat
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Ein Flüchtlingsdorf und jede Menge Ressentiments

Zur Zeit kommen im Monat etwa 400 Flüchtlinge nach Solingen. Seit September handelt es sich dabei nicht mehr ausschließlich um sogenannte Regelzuweisungen, also um Flüchtlinge, deren Erstaufnahme und Asylgesuch bereits in einer anderen Stadt stattgefunden haben und die nun auf Kommunen und Städte verteilt werden.  Amtshilfe nennt man es, wenn seitens der Bezirksregierung um Hilfe gebeten wird, um aufgrund der sich gegenüber dem Vorjahr verdreifachten Anzahl der Flüchtlinge Obdachlosigkeit zu vermeiden. Vereinfacht gesagt entstehen mit Landesmitteln Erstaufnahmeeinrichtungen in Städten und Kommunen, wie beispielsweise Solingen, Wuppertal, Remscheid, Duisburg, Düsseldorf, Essen  und weiteren.

In Solingen wurden solche Erstaufnahmeeinrichtungen in den Turnhallen Zweigstraße, Schwertstraße und Krahenhöhe mit insgesamt rund 500 Betten errichtet, in denen die Asylsuchenden bestenfalls zwischen sechs Wochen und drei Monaten verbleiben ehe sie auf andere Kommunen und Städte verteilt werden bzw. ihr Asylgesuch abgelehnt und sie abgeschoben werden.

Da die Sporthallen nicht dauerhaft als Unterkünfte genutzt werden können – aufgrund der zu erwartenden Zuströme müssten sonst sicherlich weitere Hallen für den öffentlichen Betrieb geschlossen werden – hat sich die Stadt Solingen entschlossen, auf dem Gelände an der Monhofer Straße eine Flüchtlingsdorf mit sogenannten Zelthäusern in Messebauweise und somit auch winterfest zu errichten. Dort sollen bis zu 600 geflüchtete Menschen ein erstes Bett erhalten.

Gestern Abend lud die Stadt Solingen alle Anwohner (ich zählte mich mit einer Entfernung von weniger als einem Kilometer ebenfalls dazu) und Interessierten zu einer Informationsveranstaltung ein, der rund 300 Menschen folgten.

humboldt

Neben (noch) Oberbürgermeister Norbert Feith nahmen auf dem Podium in der Aula des Humboldtgymnasiums Ralf Weeke, eigentlich Solingens Kämmerer aber seit dem Weggang des Sozialdezernentens Robert Krumbein ebenfalls dem Krisenstab angehörig, DRK-Chef Jan Welzel, Pressesprecher der Stadt Solingen Lutz Peters und ein Vertreter der Firma OK-Messebau Platz. Letzterer erklärte uns – nachdem der Oberbürgermeister die allgemeine Flüchtlingssituation erläutert hatte (Belesene,  mitdenkende und -wirkende Solinger erfuhren vom OB allerdings nichts Neues.) – , die Zeltkonstruktion und den Aufbau des Dorfes u.a. mit Schlaf-, Essens-, Kids-, Kranken- und Verwaltungszelten.

Da das Deutsche Rote Kreuz die Einrichtung leiten wird, oblag es Jan Welzel, den zukünftigen Betriebsablauf zu erläutern. Das Zeltdorf zwischen Stielsteich, Weyer- und Monhofer Straße gelegen wird eingezäunt und mit einer sogenannten Rezeption ausgestattet. Einwohner, Mitarbeiter und Gäste erhalten Ausweise, die im Eingangsbereich kontrolliert werden. Neben dem sechsköpfigen Sicherheitsteam werden sechs Sozialarbeiter dort tätig sein. Welzel begrüßte ausdrücklich eine gezielte Ehrenamtskultur, es bleibt allerdings abzuwarten, ob der DRK bei der Koordinierung der zahlreichen freiwilligen Helfer ein gutes Händchen beweisen wird. Zeit genug – die ersten Bewohner werden nicht vor Anfang November erwartet – ist schließlich noch, um beispielsweise Essens- und Kleiderausgabe, niedrigschwellige Deutschkurse und kleine Angebote für Kinder und Jugendliche, die als Bewohner einer Erstaufnahmeeinrichtung nicht schlupflichtig sind, zu organisieren.

In der anschließenden Fragerunde zeigte sich einmal mehr, dass es reichlich Ressentiments gegenüber den Flüchtlingen im Allgemeinen und dem Flüchtlingsdorf im Speziellen gibt. Leider kamen direkt zu Beginn einige besorgte Bürger mit großem Mitteilungsbedarf zu Wort, die sich scheinbar schon Zuhause auf ihren “Auftritt” vorbereitet hatten. So kippte die Stimmung im Saal zusehends und weitere besorgte Familienväter ergriffen, angespornt von soviel Beifall, gleich auch noch das Wort. Übrigens vermutlich alles Menschen, die noch keinen Flüchtling zu Gesicht bekommen geschweige denn mit ihm geredet haben, anders kann ich mir die Angst, geschürt durch BILD und Co., gegenüber Fremden nicht erklären.

Einmal mehr wurde mir bewusst, wie sehr zur Zeit alles auf Messers Schneide zu stehen scheint. Auf der einen Seite findet man die warmherzige Willkommenskultur und die vielen fleißigen Ehrenamtler, die Hilfe anbieten, Kontakte knüpfen und so in meinen Augen fast den größten Beitrag zur Integration leisten, auf der anderen Seite steht das besorgte Bürgertum, das zu Recht seine Sorgen und Fragen äußern sollte, aber allzu oft nur leere Phrasen drischt und selten den Anschein erweckt, wirklich an einer Lösung für uns alle, für Deutsche und Flüchtlinge, interessiert zu sein.

Dabei ist eine Lösung gar nicht so schwer, wenn wir uns einfach an die klugen Worte des kleinen Tuschepinguins von Robin Thiesmeyer aka Meta bene halten würden: HELFEN HILFT! – in erster Linie den Hilfesuchenden, aber eben auch den Helfenden, uns!

Also, helft mit! Wir können das schaffen!

 

 

2 Kommentare

  1. Liebe Stefanie,
    dasselbe hier, tagein, tagaus. Ich weiß kaum noch, was ich dazu sagen soll, es ist so ermüdend, so ernüchternd und manchmal einfach zum K****n.
    Hier ist es übrigens nicht so einfach mit dem DRK und dem Ehrenamt, die Informationen widersprechen sich, manche dürfen im Camp Angebote machen, andere werden nicht angefragt. Einen Tag heißt es, die Spendenannahme muss schließen, weil die Helfer mit dem Sortieren nicht nachkommen, auf Nachfrage heißt es aber nur, zusätzliche Helfer sind momentan nicht nötig. Wir nähen Taschen, weil wir festgestellt haben, dass es um jede Ikea-Tüte Streit gibt, die wir mitbringen, aber bekommen nur die Info, unsere Taschen würden nicht benötigt. Keine Woche später startet eine Aktion eines anderen Vereins und deren Beutel werden gern genommen. Manchmal ist es da gar nicht so einfach, am Ball zu bleiben…
    Danke für dein Engagement!
    LG Regina

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