Digitales Leben, Gedanken, Mein Alltag und ich
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Das Leben. Eine Gratwanderung.

Ich bin in meinem Leben erst einmal auf einem Grat gewandert, lange ist es her. Im Sommer 1996 entdeckten wir per Pedes, Auto und mit unserem Zelt Alaska. Bei unserem Besuch im Denali National Park schlossen wir uns einer durch einen Ranger geführten Wanderung an, die uns schließlich auch auf einen Grat – ähnlich dem im Foto – führte. Die Aussicht war atemberaubend, die unberührte Natur überwältigend und dennoch befanden wir uns alle nur einen Fehltritt von einer Katastrophe entfernt. Gratwanderung eben.

Ein schmaler Grat, dieses Leben

Das Leben kann auch eine Gratwanderung sein. Jedenfalls ist es dieser Begriff, der mir derzeit ständig durch den Kopf geistert.

Seit nunmehr sieben Jahren ist es mir zur lieben Gewohnheit geworden, nach Yoga und Meditation für eine Kaffelänge ins Bett zurück zu kriechen. Ich höre Radio, blättere in der aktuellen Tageszeitung und widme mich den Sozialen Netzwerken, die die Nachrichten der vergangen Nacht auf ihre Art und Weise aufbereiten. Gut informiert, meist gut gelaunt und immer wach beginnt dann gegen sieben der Familienalltag.

Doch über mein stets sonniges Gemüt legt sich seit geraumer Zeit eine bleiernde Schwere, derer ich mich mittlerweile nicht mehr richtig entledigen kann. Mein Superhelden-Anzug aus Leichtigkeit, Frohsinn und unerschütterlichem Optimismus hat in den letzten eineinhalb Jahren Risse bekommen.

Mein Leben ist derzeit eine Gratwanderung. Eine besonders anstrengende. Ja, ich will mich empören, ich will meine Stimme gegen Ungerechtigkeit erheben, ich will mein Leben in den Dienst der guten Sache stellen, aber ich will und darf dabei mein Leben nicht vergessen. Ich muss lachen dürfen, auch wenn viele Menschen auf dieser Welt nichts zu lachen haben, ich muss mich über kleine tägliche Unzulänglichkeiten aufregen dürfen, auch wenn sie im globalen Vergleich total unwichtig sind. Mein altes, unbeschwertes Leben gab mir immer Kraft, eine Kraft, die ich für die Reperatur meines Superhelden-Anzugs dringend benötige.

P.S.

Manchmal sollte ich mich einfach an meine eigenen Twitter-Weisheiten halten. Aber es ist ja noch nicht zu spät. Im Februar werde ich daher den Konsum der aktuellen Nachrichtenlage per Twitter und Facebook reduzieren und lediglich die Accounts rund ums Lesen pflegen (@bk_redaktion, Buecherkinder-Seite).
Im März sehen wir dann weiter …

Foto: CC0 moerschy/Pixabay

7 Kommentare

  1. Ähnliches hier – ich finde nicht mehr so richtig den Zugang zu den Themen, die mir bislang Sonne ins Leben brachten. Nicht, dass ich mich das nicht trauen wollte, ich kann’s einfach nicht von ganzem Herzen.

    In einem Gespräch heute morgen habe ich es so zusammengefasst: Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, eine echte historische Phase in ihrer ganzen Tragweite und bei voller Konzentration auf das Geschehen mitzuerleben.

    Bei mir was das ein einziger Augenblick, in dem sich ein Schalter umlegte. Ich sass hier in meinem Bullerbü am Schreibtisch und im Radio kam die Meldung: Auf der A7 bei Flensburg bewegen sich etwa 100 Flüchtlinge Richtung Norden.

    Ich werde deine Posts im März vermissen 🙂

    • Stefanie Leo sagt

      Ich bin ja hier und auf meinen Buchprofilen noch zu finden. Ganz ohne mag ich ja auch nicht 🙂

  2. Liebe Stefanie,
    auch Superhelden dürfen schwach sein und nicht immer stark. Aber wenn wir eins nicht dürfen, wenn wir uns dafür entsvhuldigen zu lachen, verrückte Sachen zu tun oder auch unseren guten Blick auf die Menschen und die Welt bewahren. Was auch unser Handeln betrifft. Wollen wir nur das negative konsumieren oder eben auch das gute-ungewöhnliche. Was mir in solchen Phasen immer hift – was mir nicht gut tut mit dem umgebe ich mich nicht, sondern sortiere es aus. Den nur wenn es mir gut geht, dann kann ich auch so positiv durchs Leben gehen und die Welt weiterhin bejahen. Ein Drück von der Insel sendet Dir Daniela (und wenn mal Meer brauchst hier ist immer ein Platz für Dich ).

  3. Hallo, liebe Stefanie!
    Danke für deine Worte. Damit sprichst du mir sehr aus der Seele. Nur bin ich nach wie vor ratlos, wie ich persönlich eine Lösung finde. Ich müsste mich von allem lossagen, um mal wieder sorgenfrei(er) denken zu können. Aber wie soll das heute noch gehen? Wenn man sich selbst nicht damit beschäftigt, stößt einen das Umfeld darauf. Tatsache ist, dass ich seit einiger Zeit unendlich müde und niedergeschlagen bin, vom Zeitalter der Wut. Es geht nur noch um Wut und Angst. Die Geschehnisse auf der Welt erdrücken uns. Sehe ich morgens in die Gesichter einiger Menschen in der S-Bahn, die abgekämpft durch die Newskanäle auf ihren Smartphones scrollen, sehe ich mich selbst. Ganz besonders in diesen Wochen wirkt es sich immer mehr auf meinen Alltag aus. Auf meinen Frohsinn, mit dem ich sowieso sparsam umgehe, treffe ich nur durchs flüchten in andere Welten (Bücher, Kino). Dir wünsche ich, dass du deine Kräfte und positive Energie neu sammeln kannst. Das du findest, was du suchst. Ganz egal, welchen Pfad du gehst.
    Ich sende dir ganz viel Wärme.

    LG,
    Sandy

    Liebe Grüße

  4. Stefanie Leo sagt

    Erste Besserung tritt gerade ein, weil ich mich auf dem Twitter-Account der Redaktion fast ausschließlich den Buch-Themen und ihren Menschen widme. Das tut gut. Abends gucke ich um 20 Uhr die Tagesschau und versuche nicht mehr, die politischen Themen von allen Seiten zu beleuchten, indem ich von der Süddeutschen bis zur Taz alle Artikel, die mir Twitter oder Facebook in die Timeline spült, lese.

  5. […] Anfangs versuchte ich noch, mit der Geschwindigkeit der Berichterstattung Schritt zu halten, möglichst viele Artikel verschiedenster Zeitungen zu lesen, um mir selbst einen möglichst objektiven Reim auf die aktuellen Geschehnisse zu machen. Doch innerhalb kürzester Zeit waren mein Mut und meine unerschütterliche Zuversicht auf der Strecke geblieben. Ende Januar zog ich schließlich die Reißleine. […]

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