Über Filterblasen haben wir in der letzten Zeit reichlich gelesen und gehört. Obwohl wir uns alle in derselben Wirklichkeit befinden, scheinen wir oft Lichtjahre voneinander entfernt zu sein und in verschiedenen Paralleluniversen zu leben.
Filterblasen im Alltag
Dennoch gibt es Filterblasen nicht erst, seit das Internet versucht, per Algorithmus herauszufinden, was wir sehen möchte und was nicht. Auch jenseits des Internets umgeben wir uns häufig mit Personen aus vergleichbaren gesellschaftlichen Kreisen, die ähnliche Ansichten vertreten. Hier fühlen wir uns wohl, verstanden und erhalten Zustimmung für das eigene Denken und Handeln, das demnach so falsch nicht sein kann.
Ich habe meine Filterblase noch nicht wirklich weit verlassen. Vermutlich lasse ich sogar immer einen Fuß in der Tür, um mich schnell wieder in ihr zu verkriechen. Ich glaube, dass man zum Verlassen auch viel Selbstvertrauen und Kraft benötigt. Letzteres fehlt mir derzeit, ist mir Stück für Stück seit dem 20. Januar, dem Tag als alternative Fakten plötzlich salonfähig wurden, abhanden gekommen.
Anfangs versuchte ich noch, mit der Geschwindigkeit der Berichterstattung Schritt zu halten, möglichst viele Artikel verschiedenster Zeitungen zu lesen, um mir selbst einen möglichst objektiven Reim auf die aktuellen Geschehnisse zu machen. Doch innerhalb kürzester Zeit waren mein Mut und meine unerschütterliche Zuversicht auf der Strecke geblieben. Ende Januar zog ich schließlich die Reißleine.
Seitdem befinde ich mich quasi in einem Paralleluniversum. Bei Facebook werden mir aktuelle Zeitungsartikel nicht mehr angezeigt, weil ich sie seit Februar weder like noch anklicke, und der Algorithmus entschieden hat, dass sie für mich nicht mehr relevant sind. Bei Twitter habe ich mich in meinen zweiten Account zurückgezogen. Dort folge ich nun fast ausschließlich Buchbloggern, Kultur-Accounts oder Personen, die ihre politische Meinung nur gelegentlich einstreuen. Mit der neuen Filterblase haben sich auch die Inhalte geändert.
Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt?
Man könnte mir durchaus den Vorwurf machen, dass ich wegschauen, die Augen vor der Wirklichkeit verschließen würde. Dem ist aber nicht so. Ich habe in meiner Zeit der medialen Rekonvaleszenz lediglich meine Frequenz geändert und die Schlagzahl neuer Nachrichten verringert. Und tatsächlich fühle ich mich nach knapp drei Wochen wieder frischer und kraftvoller. Die Lust zu lesen, zu kommentieren und sich bisweilen zu empören kehrt langsam zurück. Dennoch werde ich zukünftig mit meinen gerade wiederkehrenden Kräften sorgsamer umgehen, mich von kraftraubenden, bedrückenden Ereignissen, deren Ausgang nicht in meinen Händen liegt, fern halten, lieber an den kleinen Schräubchen in meiner unmittelbaren Umgebung drehen und mich an dieses Gebet, das an der Bürotür meines Vaters hing, halten: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Foto: CC0 Alexas_Fotos/Pixabay
Ich gebe dir Recht dahingehend, dass wir lernen müssen, uns nicht überfluten zu lassen. Weniger darin, die Schotten dicht zu machen. Denn wir alle haben eine wichtige Verantwortung: mitzubestimmen, wie wir unsere Zukunft gestalten wollen. Was mich weit mehr stört, ist, wie wahllos wir Meinungen, Empörungen und Faktenloses verbreiten. Dazu schrieb ich damals anlässlich des Statements von Christoph Waltz: https://thomasbrasch.wordpress.com/2016/11/16/auch-herr-waltz-ist-im-postfaktischen-zeitalter-angekommen/
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