Regelmäßig stelle ich verschiedensten Kinderbuchmenschen in der Interview-Reihe auf meinem Blog zehn Fragen. Beate Schäfer, die ich dort ebenfalls befragte und die in meinem Urlaub eine Abwesenheitsnotiz aus Bhutan bekam, hat den Spieß umgedreht und mir “Zehn Fragen für zurückgekehrte Reisende” gestellt. Hier kommen meine Antworten.
Wo bist du gewesen und wie kam es, dass du dort hingefahren bist?
Ich war im Oktober mit meinem Sohn für zwei Wochen in Bhutan im Himalaya. Das Königreich grenzt im Süden an Indien und im Norden an Tibet. “Schuld” an dieser Reise war meine Freundin Miriam, die dieses Land bereits dreimal bereiste und mir stets davon vorschwärmte.
Was hast du gegessen?
Alles, was auf den Tisch kam und fast täglich die Nationalspeise aus Chili und Käse: Ema Datshi (ཨེ་མ་དར་ཚིལ), und das obwohl mir scharfe Gerichte sonst immer etwas suspekt sind.
Die Verbindung aus Chili und Käse (der die Schärfe noch nicht angekommen hat) ist genial, mag aber vielleicht auch an den besonderen Chili-Schoten liegen, deren Sorten-Name ich noch nicht in Erfahrung bringen konnte.
Wo hast du geschlafen?
Unsere erste und letzte Nacht haben wir in einem Hotel in Paro verbracht, das 1974 erbaut wurde, um die Gäste, die zur Krönung des 4. Königs eingeladen waren, unterzubringen. Erst seit dieser Zeit hat Bhutan sich überhaupt für Touristen geöffnet. Bis auf zwei Nächte, die wir auf unserer Trekkingtour im Zelt verbrachten, haben wir immer in sehr bequemen Betten in Hotels oder Gasthäusern geschlafen. Durchgelegene Matratzen gab es nicht eine.
Erzählst du mir was über eine Landschaft oder über eine Straße oder ein Haus?
Oder? Nun gut, ich entscheide mich für die Straße. In Bhutan gibt es nur wenige Verkehrsschilder und keine Ampel. Im Grunde ist das auch nicht verwunderlich, denn bei etwa 19 Bewohnern pro km2 ist die Verkehrsdichte in Bhutan eher überschaubar. Es gibt eine Straße, die von Westen nach Osten führt und sich an Bergen entlanghangelt oder in Serpentinen über selbige hinwegführt. Neben asphaltierten Teilen, gibt es auch immer wieder abenteuerliche Strecken in Staub oder Matsch, die hin und wieder aufgrund von Erdrutschen nur einspurig zu befahren sind. Leitplanken gibt es so gut wie nie und meistens kommt das rot-weiß-gestreifte Flatterband zum Einsatz, um ein Abrutschen ins Tals zu verhindern. Doch trotz aller Widrigkeiten, herumlaufenden Hunden und mitten auf der Straße schlafenden Kühen, kam es zu keinerlei Zwischenfällen und das Autofahren war um Längen geruhsamer als in Deutschland.
Gibt es ein Alltagsphänomen, das dir aufgefallen ist?
Das, was ich Zuhause augenzwinkernd gerne als buddhistische Gelassenheit bezeichne, ist mir in Bhutan begegnet. Gedanken, Rede und Handlung wirken für Buddhisten auch in die Zukunft, da sie sich im ständigen Kreislauf der Wiedergeburt befinden. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie stets gutes Karma sammeln, um irgendwann ins Nirvana zu gelangen. Vermutlich basiert ihre Gelassenheit also auch auf ihrer Religion. Ich wünschte mir für mich und uns auch mehr buddhistische Gelassenheit, mehr Weisheit Unwichtiges von Wichtigem zu unterscheiden und die Energie, sich für letzteres mit aller Kraft zu engagieren.
Welche Begegnung hat dich besonders berührt?
Besonders glücklich hat mich mein Treffen mit Pema gemacht, die in Trongsa lebt und arbeitet und mich mit ihrer Kollegin Thinley bei meiner Durchreise im Hotel besuchte. Pema folge ich schon eine ganze Weile auf Instagram und als klar wurde, dass ich nach Bhutan reisen und ihre Heimat kreuzen würde, haben wir zwei uns einfach verabredet. Der Abend war großartig, wir haben uns bestens verstanden und ich hoffe sehr, dass mich die beiden irgendwann mal in Deutschland besuchen werden. Social Media at its best! Wenn das doch immer so verbindend wäre …
Was hast du über das Leben von Mädchen und Frauen mitgekriegt?
Bhutanerinnen sind selbstbewusst. Das ist es, was ich am meisten mitbekommen habe. Egal ob wir eine Bäuerin auf dem Feld trafen, in einer kleinen Gaststube bedient, von kleinen Grundschülerinnen begrüßt wurden oder ich mich mit Pema und Thinley (beide Ingenieurinnen) unterhielt, alle Frauen strahlten ein hohes Maß an Selbstbewusstsein aus. Im Gespräch mit unserem Guide fand ich zudem heraus, dass Land und Immobilien immer an die Töchter vererbt werden und die Männer deshalb auch nach der Hochzeit in die Heimat der Frauen ziehen. Übrigens ist Polygamie in Bhutan legal. Jigme Singye Wangchuck (*1955) , der vierte König Bhutans, ist mit vier Schwestern verheiratet. Unter den Nomadinnen wiederum ist es durchaus üblich zwei Brüder zu heiraten. Die Viel-Ehe kommt allerdings nicht mehr häufig vor.
Gab es etwas, das ganz anders war, als du es dir vorgestellt hast?
Dünne Luft kann man sich nicht vorstellen und selbst das Höhentraining bereitet einen nicht wirklich darauf vor. 80 % des Landes liegen in über 2.000 Metern Höhe und ich hätte es mir nicht wirklich vorstellen können, mein Trekking nach lächerlichen 5 km und rund 800 Höhenmetern auf einer Höhe von 3.600 Metern völlig erschöpft abbrechen zu müssen. War aber so. Einen Tag später, 1.000 Meter tiefer und 12 km weiter war ich wieder ganz die Alte.
Religion und Spiritualität – was hast du mitgekriegt? Erzähl ein Detail.
Ich wurde mit einem Holz-Penis gesegnet. Wer kann das schon von sich behaupten. Im Kloster Chimi, rund 10 km außerhalb von Punakha, ist dies üblich. Schon auf dem Weg zum Kloster begegnen uns Phallusse an Hauswänden, aus Holz und sogar mit Propeller und Flügeln zum Aufhängen fürs Kinderzimmer. Sie sollen Dämonen und Böses fernhalten.
Wie verändert das, was du dort erlebt hast, deinen Blick auf dein Leben hier?
Wer reist, kommt immer verändert zurück, mal mehr, mal weniger. Noch nie war ich vom “Gesamtpaket” eines Landes so angetan. Die Menschen, die Kultur, die Religion und nicht zuletzt die Natur haben mich zutiefst beeindruckt. Und vielleicht wurde mir dort einmal mehr bewusst, wie verletzlich unsere Erde ist, denn obwohl Bhutan sogar mehr Kohlendioxid aufnimmt als es selbst ausstößt bleibt es vom Klimawandel nicht verschont.
Sehr beeindruckend deine Antworten auf die 10 Fragen. Muss ein sehr schönes Land sein und so im Gleichgewicht mit der Natur. Danke für die Veröffentlichung!
Eines Tages möchte ich auch in den Himalaya reisen. Ob mit oder ohne Familie werde ich noch überlegen. Schön zu lesen, dass diese Reise für dich so befriedigend gewesen sein muss. Ganz liebe Grüße, Thomas
Bergig aber nicht ganz so hoch hinaus kann man doch auch prima im Rothaarsteig in Westfalen. Warst du da auch schon? Ich bin dort im letzten Jahr mit Freunden wandern gewesen und finde es abseits vom Tourismus auch richtig schön dort!
Der Rothaarsteig steht noch auf meiner Liste, so wie auch der Eifelsteig. Derzeit mache ich hauptsächlich Tages-Wanderungen in meiner ersten und zweiten Heimat.
Ansonsten ist es ja auch im Harz recht schön. Ich muss gestehen, dass ich allerdings in diesem Jahr noch nicht so wirklich “vor die Tür” gekommen bin. Als ich noch am Rhein gewohnt habe, bin ich auch gerne mal im Rhein-Sieg-Kreis auf Wanderung gegangen.
Überhaupt ist es bei uns in Deutschland sehr schön. Vom Meer, über Mittelgebierge bis hin zu Alpen hat das Land unheimlich viel zu bieten. Dennoch bin ich – gerade auch mit Blick auf die derzeitige Situation – sehr froh, mir im letzten Jahr diese außergewöhnliche Reise gegönnt und mir damit einen Herzenswunsch erfüllt zu haben.