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Marianengraben

Der Marianengraben. Die tiefste Stelle des Weltmeeres. Elftausend Meter tief. Dort unten vollkommene Dunkelheit. Diese Dunkelheit begleitet die Biologin Paula nun schon zwei Jahre lang. Nach dem Tod ihres 10-jährigen Bruders Tim ist der Marianengraben zum Inbegriff ihrer Trauer geworden, die Zahl 11000 steht für die Tiefe ihrer Depression und ist zugleich Überschrift des ersten Kapitels.

Was nun folgt ist alles andere als eine schwermütige Geschichte. Ganz im Gegenteil, Jasmin Schreiber gelingt ein schriftstellerisch brillanter Spagat zwischen zutiefst gefühlter Trauer und herrlicher Situationskomik, die weder albern noch deplatziert wirkt. Nach 25 gelesenen Seiten beschert mir das skurrile Zusammentreffen von Paula, dem schrulligen Helmut und einer Urne auf dem nächtlichen Friedhof die ersten Lachtränen und setzt zugleich den Startpunkt für eine ganz besonderen Reise, auf der das ungewöhnliche Duo Asche verstreut und Trauer bewältigt. Ich lese mich durch weitere lustige und tieftraurige Momente, erlebe wie Paula Seite für Seite aus dem Marianengraben auftaucht und die Zahlen der Kapitel-Überschriften immer kleiner werden.

Lediglich einen Satz im Buch habe ich mir markiert, obwohl sicherlich vieles markierenswert gewesen wäre. Etwa nach einem Drittel der Geschichte bemerkt die Ich-Erzählerin Paula nämlich Folgendes: „Wenn Trauer eine Sprache wäre, hatte ich jetzt zum ersten Mal jemanden getroffen, der sie genau so flüssig sprach wie ich, nur mit einem anderen Dialekt.“
Auch die Autorin, die sich nebenbei ehrenamtlich im Bereich Sterbebegleitung engagiert, spricht diese Sprache fließend. Das merkt man diesem Roman an, der das Leben feiert ohne das Sterben auszuklammern, und macht die Erzählung dadurch zu etwas ganz Besonderem.


Marianengraben von Jasmin Schreiber, Eichborn Verlag 2020 – 254 Seiten, 20 €
Online-Bestellmöglichkeit bei der Buchhandlung meines Vertrauens

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