Oft werde ich durch Empfehlungen im Netz auf neue Bücher aufmerksam, manchmal suche ich auch gezielt nach einem Autor oder einer Autorin, weil ich schon etwas anderes von ihm oder ihr gelesen habe, ein anderes Mal gibt eine Leseprobe den Ausschlag für eine Lektüre.
Bei meinem aktuellen Buch traf nichts von alledem zu. Der Klappentext war es, der mich nach „Vom Schweden, der den Zug nahm und die Welt mit anderen Augen sah“ greifen ließ, auch das Cover gefiel mir gut, weshalb ich es schon während des Lesens für Instagram ablichtete. Die Frage, wie ich es denn finden würde, ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Warum meine Antwort „Bin noch unentschlossen, weil ich etwas ganz anderes erwartet habe“ lautete, und wie ich es dann am Ende wirklich fand, will ich euch kurz erklären und beginne mit Cover und Klappentext, ganz so wie ich das Buch entdeckte.
Vom Schweden, der den Zug nahm und die Welt mit anderen Augen sah
von Per J. Andersson, übersetzt von Susanne Dahmann, C.H.Beck 2020
In seinem neuen Buch entdeckt der schwedische Bestsellerautor Per J. Andersson die abenteuerliche Welt des Zugreisens. Er begibt sich mit der Eisenbahn zum nördlichsten Zipfel Europas, fährt mit der Dampflok über den Wolken, steigt in den sagenumwobenen “Orientexpress” und verbringt ganze Tage und Nächte im Abteil, wo er kuriose Mitreisende kennenlernt. Sein Buch weckt die Sinne und ist ein Muss für alle Menschen, die beim Reisen gerne etwas erleben – und dabei auch noch das Klima schonen wollen. (Leseprobe PDF)
Was würdet ihr erwarten? Eine Reisebeschreibung unterschiedlichster, geschichtsträchtiger Eisenbahnrouten? Infos über Land und Leute? Kleine Anekdoten aus dem Zugabteil? Eine Liebeserklärung eines zum Bahnreisen Bekehrten? – Irgendwie bekommt man von allem ein bisschen und oben drauf noch ein wenig mehr, denn der Autor ist alles andere als ein Bahn-Newbie. Bereits seine Großeltern arbeiteten bei der Bahn und als Jugendlicher bereiste Per J. Andersson die Welt auf Schienen. Bereits hier hatte ich den Klappentext also miss-interpretiert.
Ta tåget – Nimm den Zug, so lautet der Titel des Buches im Original und ehrlich gesagt finde ich ihn passender, aber mit Blick auf die bisher erschienenen Bücher des Autors erübrigt sich die Frage, warum der Titel anders gewählt wurde.
Per J. Andersson beleuchtet in seinem Buch ganz unterschiedliche Aspekte rund um Bahn, Schiene, Reisen und schnell stellt man fest, dass die Bahn historisch gesehen alles andere als nur ein Fortbewegungsmittel von vielen ist. Es war die Eisenbahn, die auch den letzten noch so unzugänglichen Winkel dieser Welt erschloss und oftmals fahren auch heutige Züge noch auf diesen historischen Strecken. Kein Wunder also, dass Andersson sein Buch dort startet, wo alles begann, in Großbritannien.
Und genau so geht es Kapitel für Kapitel weiter. Auf jeder Zugreise widmet sich der Autor einem anderen Thema. Mal ist es die Zeit (habt ihr euch mal gefragt, warum die Bahn um 9:23 Uhr abfährt und nicht um 9:25 oder gar um 9:30 Uhr), ein anderes Mal geht es um Technik, um Tunnelbau oder Zahnräder. Ich habe erfahren, dass es Thomas Manns „Der Zauberberg“ unter etwas veränderten Umständen nicht gegeben hätte und was das mit der Bahn zu tun hat.
All diese Informationen bettet Andersson in die verschiedensten Routen auf der ganzen Welt ein. Manches interessierte mich weniger, andere Absätze las ich gleich zweimal, ein anderes Mal hielt ich den Autor für detailversessen, jemand anderes wird sich über die Detailverliebtheit freuen.
Was ich vermisst habe ist ein klarer, roter Faden im Buch (oder habe ich ihn nur nicht erkannt?), es fühlte sich eher so an als wären verschiedene Essays zu einem Buch zusammengefasst worden. Ich bekam mit „Vom Schweden, der den Zug nahm“ nicht das, was ich erwartet hatte, aber ich bekam etwas anderes. Etwas, was ich mir vermutlich nicht ausgesucht und somit verpasst hätte.
Meiner Bekannten, die mich fragte, wie das Buch denn sei und von der ich weiß, dass sie lange Zeit mit der Bahn gependelt ist, werde ich Anderssons Buch empfehlen, sowie auch jedem anderen, der die Bahn anderen Verkehrsmitteln vorzieht oder zumindest vorziehen würde, wenn manches z. B. das internationale Buchen einfacher wäre (auch dazu gibt es ein Kapitel).
Menschen, die wie ich eine andere Erwartung an das Buch haben, empfehle ich Per J. Anderssons Buch besonders. Denn irgendwie erging es mir beim Lesen wie beim Bahnfahren. Egal was ich erwarte, es kommt (fast) immer anders, das ist vielleicht manchmal etwas ärgerlich, aber entpuppt sich doch häufig als Glücksfall.
“Vom Schweden, der den Zug nahm und die Welt mit anderen Augen sah” von Per J. Andersson, C.H. Beck 2020 – 379 Seiten, 16,95 €
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