Gedanken, Heimat, Leben
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شكرا لك für einen besonderen Tag

Seit gut einem Monat versuche ich, mich in der Solinger Flüchtlingshilfe nützlich zu machen. Meine Aufgabe besteht weitestgehend darin, denen, die aktiv mit den geflüchteten Menschen arbeiten, den Rücken freizuhalten und beispielsweise gespendete Kleidung zu sortieren – was ich übrigens wirklich sehr gerne tue. Mein Kontakt zu Geflüchteten aus Syrien, dem Irak oder auch Algerien beschränkte sich bislang auf ein freundliches مرحبا auf das ich stets ein ebenso freundliches Hallo erntete.

Beim Opferfest, das vergangene Woche stattfand und mit neun Nationen und vielen Familien ausgiebig in der Interju gefeiert wurde, kam ich erstmals ein wenig mit Menschen unterschiedlichster Herkunft in Kontakt. Unter ihnen auch eine junge Syrerin, die mit ihrer Familie vor ISIS und dem Bürgerkrieg geflohen war. Ihr Weg führte sie über Damaskus, den Libanon, die Türkei, per Boot nach Griechenland und weiter nach Deutschland. Zurückgelassen haben sie alles: ein Haus mit Garten, ein Auto, zwei gut bezahlte Jobs als Englischlehrerin und Zahnarzt. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde verkauft, um die Reise die Schlepper zu bezahlen.

Die englische Sprache eröffnete uns die Möglichkeit, uns besser kennenzulernen, und da wir uns gegenseitig sehr sympathisch waren, tauschten wir zügig Handynummern aus, um auch weiterhin per Whatsapp in Kontakt zu bleiben. Meine anfänglichen Angebote, sie und ihre Familie auf Ämter zu begleiten wurde jedoch dankend abgelehnt, da man mir die Wartezeit zwischen zwei bis drei Stunden nicht zumuten wollte. Heute jedoch nahm man mein Angebot gerne an, da wir verschiedene Stellen anfahren wollten, um Gebrauchtmöbel für die nächste Wohnung zu suchen. Ihre jetzige Wohnung muss die syrische Familie bald verlassen, ihre eigenen Habseligkeiten beschränken sich auf zwei Umzugkartons, Möbel und Hausrat gehören der Stadt.

Nichts desto trotz ließen meine neuen Bekannten es sich nicht nehmen, mich nach der Taxitour durch Solingen zu Mittagessen und arabischem Kaffee in ihre bescheidene Unterkunft einzuladen. Wir plauderten fröhlich auf englisch, ich nutzte Hände, Füße und Mimik um auch mit den nicht englisch sprechenden Mitgliedern der Familie zu kommunizieren.

Ich habe mich ungeheuer willkommen gefühlt und war erstaunt mit welcher ungebrochenen Zuversicht die Familie trotz aller Verluste und Entbehrungen in die Zukunft schaut. Dass sie alle so schnell wie möglich deutsch lernen wollen, war für alle glasklar und dann möglichst bald Papiere kriegen, damit sie weiter lernen und arbeiten können, um dem Staat nicht weiter auf der Tasche zu liegen.

Erst nach einem kräftigen Nachschlag und meinem Versprechen, bald wieder auf eine Tasse Kaffee vorbeizuschauen, dürfte ich gehen. Natürlich nicht, ohne noch Gebäck für meine Familie mitzunehmen.

Ich sage شكرا لك für einen besonderen Tag, an dem aus Fremden Freunde wurden.

2 Kommentare

  1. Elly sagt

    Liebe Stefanie Leo,

    ich habe deinen Blog durch Zufall im Netz entdeckt und dafür bin ich sehr dankbar.
    Meine Heimat liegt auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Manchmal, bin auch mir als Flüchtling vorgekommen. Flüchtling als Deutesche in Deutschland. Nicht überall standen nach der Wende die Türen für uns offen. Wir haben nicht gewußt wie Demokratie, Pressefreiheit usw. funktionieren. Arbeitslosigkeit oder Mangel an Kindereinrichtungen gab es für uns DDR`ler nicht.
    Was es gab, sind Menschen aus den alten Bundesländern welche uns geholfen haben dies Alles zu verstehen. Zu lernen das Müll getrennt werden kann, zu lernen wie wir mit Menschen anderer Nationen zusammenleben, sie zu achten und zu respektieren.
    Nach der Wende habe ich in verschiedenen sozialen Einrichtungen in Ibbenbühren mitgearbeitet. Habe in Kleiderkammern Wäsche an Bedürftige verteilt. Nur so konnte ich lernen was es heißt, sozial am Rande der Existenz zu stehen. Denn Existenzangst gab es in der DDR nicht. Zumindest nicht, bis ich Erwachsen wurde und hinter die Kulisse DDR gesehen habe. Von da an habe ich begriffen, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich habe mich engegagiert, habe Demos organisiert und später dann die Geschäftsleitung des “Neuen Forum” in unser Stadt übernommen.
    Heute bin ich Angestellte beim Land. Ich habe mich politsch zur Ruhe gesetzt!!!
    Dein Blog hat mich wach gerüttelt. Ich habe soviel Zeit! Diese werde ich wieder sinnvoll nutzen und mich ehrenamtlich engagieren.
    Mach weiter so Stefanie! Ich fange jetzt wieder damit an! 🙂

    P.S. Solingen gefällt mir sehr gut. Die Menschen, die Stadt und das bergische Land.
    Sicher werde ich jetzt öfter die Gelegenheit bekommen, dort zu verweilen. Und wer weiß, vielleicht wird es zu meiner zweiten Heimat.

    • Stefanie Leo sagt

      Hallo Elly,
      danke für deinen ausführlichen Kommentar. Ich freue mich, dass dir mein „Geschreibsel“ gefällt. Übrigens bin ich mit Reem, die ich 2015 kennenlernte immer noch aufs herzlichste verbunden.
      Steffi

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